Donnerstag, 31. März 2016

Living(ston)


Eine zweistündige Bootsfahrt trennt mich noch von der Karibik. Vorbei am Castillo de San Felipe, durch steile Schluchten, die Wände üppig grün, die Luft erfüllt vom Gesang tropischer Vögel, die ich auch in den Bäumen erspähe. Thermalquellen, teure Villen, palmgedeckten Hütten, Fischerboote, Yachten. Die Gegensätze des Landes im Schnelldurchlauf.
Livingston selbst ist komplett vom nationalen Straßennetz abgeschieden und wird vor allem durch die Garifuna geprägt, die schwarzen Kariben, Nachfahren versklavter Afrikaner. Mit Ausnahme von Kokosnüssen und Fisch wird alles auf dem Wasserweg in die Stadt transportiert. Hier spricht man viel Englisch, so wie im benachbarten Belize, und die gesamte Kultur ist eine Mischung afrikanischer, indigener und europäischer Einflüsse. An jeder Ecke wollen mir Rastafaries ihre Zöpfchen aufschwatzen, nach viel Fahrtwind und dem Salz in der Luft fehlt mir dazu aber eh nicht mehr viel. Stattdessen lasse mich lieber von Angel in seinem Tuk Tuk an den Strand fahren. 
Er gibt mir seine Nummer, wenn ich später zurück möchte, und verschwindet wieder. Es ist schon ein wenig unheimlich, wild und schmutzig, irgendwie aber auch schön. Eine Weile stromer ich unter den Kokusnusspalmen entlang und finde schließlich das Häuschen am Steg mit einer Hängematte, in der ich meinen Mittagsburrito essen kann.

Mittwoch, 30. März 2016

Dolce vita in Rio Dulce


Vom Tuk Tuk Geld kaufe ich mir lieber einen weiteren Smoothie und marschiere zurück aufs Festland zum Busterminal. Dabei kann ich mir gleich auf dem Markt Frühstück kaufen, in Santa Elena ist es deutlich günstiger als auf der Insel. Frisch importiert aus Hamburg hätte ich mich beides nicht getraut. Dafür musste ich mich wohl erst mal im beschaulichen Salcaja akklimatisieren.
Außerdem weiß ich mittlerweile, dass man 1 Stunde vorher am Bus sein sollte. Selbst wenn man weiß, dass er mindestens 30 Minuten verspätet losfahren wird. Uns auch, wenn man das Ticket schon am Vortag gekauft hat. Zügig einen Sitzplatz sichern, gern mit einem Handtuch. Ich hielt das bisher für eine sehr deutscher Manier... Wer zu spät kommt, steht jedenfalls. Und das ist bei guatemaltekischen Straßenverhältnissen und Fahrweisen wirklich unangenehm.
Unterwegs treffe ich Steven, einen amerikanischen Rentner. Er lädt mich zur Übernachtung auf seinem Boot ein. Rio Dulce gilt als der sicherste Hafen für Hurrikane-geängstigte Yachtbesitzer in der westlichen Karibik. Ich verzichte trotzdem, ist auch so schon alles abenteuerlich genug. So lande ich im Hotel Backpackers, keine 4€ die Nacht, dafür 10 Doppelstockbetten nebeneinander und eine Millionen Moskitos. Eine Kakerlake sehe ich auch. Mein Schlafsaal ist eher ein grünes Bootshaus auf Pfählen und nur über einen Steg zu erreichen. Das Dach aus Wellblech, durch die Astlöcher in den Holzwänden und zwischen den Bohlen schimmert das türkise Wasser...

Dienstag, 29. März 2016

Inselleben


Ich gönne meinem Po einen Tag Buspause und bleibe in der Inselstadt Flores im Lago Petén Itza, schlender übers Kopfsteinpflaster, trinke Smoothies in der Hängematte, komme zur Ruhe, lasse alles sacken.
Hier war wohl das letzte große Zeremonienzentrum der Mayas, bis es 1697 von den Spaniern unterworfen und komplett zerstört wurde. Statt Pyramiden und Tempel gibt es nun also Kolonialbauten, eine alte Kirche und vor allem viele Hostels und Restaurants mit Seeblick. Den meisten Reisenden dient die Stadt hauptsächlich als Ausgangslager für Tikal, ein Besuch würde sich aber auch so lohnen, zudem gilt sie als der sicherste Ort des Nordens. Ich hab mich jedenfalls wohl gefühlt. 

Montag, 28. März 2016

Tikal


In einem 10er Schlafsaal schlafe ich unter klappernden Ventilatoren meinen Sonnenstich aus. Mit Schlafentzug und ungeduscht habe ich Tikal besucht, mich dabei zwischen Dschungelpfaden und Ruinen ein wenig wie Lara Croft gefühlt, ganz allein auf einer Pyramide sitzend Mangos gegessen, nachgedacht, die Besuchergruppen beobachtet, wie sie sich für Fotos aufstellten. Das ganze bei einer Affenhitze, inklusive der Affen, die sich über meinem Kopf von Baum zu Baum schwangen. Lange 22h hat die Anreise gedauert.
Die ersten Siedlungsspuren reichen bis ins frühe 1. Jahrtausend v. Chr. zurück. Zur Blütezeit lebten hier zwischen 50.000 und 100.000 Menschen, das war im 8. Jahrhundert. 200 Jahre später wurde die Stadt plötzlich verlassen, wieso, ist bis heute unklar. Der Dschungel nahm sich den Platz zurück, was dem Ort etwas sehr mystisches verleiht. Erst 1848 wurde die Maya-Stätte wiederentdeckt, von den ca. 10.000 Gebäuden sind bis heute nur die Hälfte freigelegt. Die höchste Pyramide, der Tempel IV, ist 64m hoch, der gesamte Nationalpark erstreckt sich über 576 km², es gibt über 300 Vogelarten, Jaguare, Pumas, Krokodile und vor allem viele Moskitos.

Sonntag, 27. März 2016

1974km


Ich bin wieder zurück. Mein Apartment fühlt sich fremder an als vorher, kleiner, stiller. Der erste Kochversuch auf dem Gasherd setzt meinen Topflappen in Flammen, außerdem kocht der Reis über. War ich wirklich nur eine Woche weg? Es war jedenfalls schön. Die beängstigendsten Momente meines Lebens, alleine im Chaos aus Lichtern und hupenden Tuk Tuks, Imbissbuden, nichts und niemand, der mir verlässlich helfen kann. Nächte im Bus oder im Schlafsaal mit 19 anderen Reisenden auf Bohlen, zwischen denen das türkise Wasser durchschimmert. Ganz allein auf einer Mayapyramide, mitten im Jungle. Ein berauschendes Gefühl von Freiheit, viel Sonne, viel warmer Fahrtwind, Affen und Moskitos. Und vor allem viele Eindrücke und Fotos, die erst mal sortiert werden müssen. 



Freitag, 18. März 2016

Digital Detox


Da meine Sim-Karte sich dazu entschieden hat, mir auch nach mehrmaligem Aufladen kein Internet mehr zu spendieren, werden die nächsten Tage wohl mal WhatsApp frei. Macht das ganze Jungleabenteuer aber auch erst so richtig authentisch. Weil ich krank geworden bin geht es nun auch erst morgen los, Rückkehr noch offen, wenn ich Glück habe, erwisch ich mal ein Hostel mit wlan. Urlaubsreif bin ich auf jeden Fall, die Planung stellte die gefühlt größte Herausforderung meines Lebens dar. Zeigt wohl auch wieder mal, wie privilegiert ich bin. Und wie anders das Leben hier. Knapp 24h Reise trennen mich von meinem ersten Ziel El Peten. Wettervorhersage: 38 Grad. Sommerferien zu Ostern, ich freu mich drauf. 


Donnerstag, 17. März 2016

Sie haben Post


Nichts macht Bürotage so schön wie der Anruf vom Pförtner, es gäbe ein Paket für die Canchita. In den letzten Wochen galt zu meinem Glück unverhofft kommt oft, ob Pumpernickel, Wollsocken oder der Osterhase persönlich - ich habe mich jedes Mal sehr gefreut. Nur Briefe verschwinden anscheinend öfter mal... 



Mittwoch, 16. März 2016

Salz


Weil es mittlerweile schon wieder ein Weilchen her ist und sonst noch unter geht, nun noch ein kurzer Rückblick auf das Wochenende am Ozean im Februar. Die Menschen leben ganz offensichtlich in größter Armut. Entweder als Fischer oder, wie meine Gastgeber, von der Salzgewinnung. Das ist körperlich deutlich anstrengender als erwartet. In Becken verdampft das Wasser innerhalb von 2 Tagen, zurück bleiben die Kristalle, die dann zu Haufen geschoben werden... Schneematsch ist nichts dagegen! Barfuß durch so einem Becken war wohl das schmerzhafteste, was mir hier bisher widerfahren ist. So heiß, dass ich es anfangs gar nicht merkte, für den Rest des Tages dafür um so mehr. Krebsrot.


Montag, 14. März 2016

Zuhause


Licht aus, Beamer an, Mädelsabend mit Oscars Schwestern, Cousine und ganz viel Mikrowellenpopcorn. Ich darf in Oscars verwaistem Zimmer schlafen, genieße das große Bett, die heiße Dusche und vor allem das ausgiebige Familienfrühstück. Guatemala ist so köstlich. Zwiebelringe, Kartoffelbrei, Bohnen, Tortillas, süßes Osterbrot und extra für mich Sojamilch und Knuspermüsli. Später fahren wir zu den Großeltern zum sonntäglichen Mittagessen, man trinkt Rum-Cola, der Montagmorgen ist noch sehr weit weg. 

Samstag, 12. März 2016

Rock ’n’ Roll Dinero


Konzert. Es treten auf: die Bohemia Suburbana - Rocklegende, Grammynominierte und Freiheitskämpfer gegen die Korruption. Vorher gibt's noch ’ne Kundgebung. Man ist doppelt vermummt, trägt unter den bunten Kapuzen Sturmhauben. Nach 3 Liedern fliegen die ersten Bierbecher, später Lautsprecherboxen und Absperrgitter. Die Show wird abgebrochen, wirkt natürlich nicht deeskalierend... Wir machen uns aus dem Staub, fahren zurück, und weil mein Begleiter Werner der Sohn vom Kinderdorfchef ist, bleibt mir der nächtliche Einstieg übers Tor sogar erspart. Wieder eine Woche rum.

Donnerstag, 10. März 2016

Fürs Visum kurz nach Mexiko


Ich war heute entweder ziemlich mutig oder bin mittlerweile einfach so tiefenentspannt, dass ich einem Mexikaner meinen Pass mit einem Monatsgehalt anvertraut habe. Eine halbe Stunde später bin ich dafür um einige Stempel reicher und kann die Rückfahrt antreten. Zwar habe ich durchaus schon viele Stunden auf Straßen abseits deutscher Autobahnen verbracht, aber Guatemala toppt mal wieder alles. Sehr kurvig, sehr steil, sehr löchrig. Es ist so heiß, dass ich das Mittagessen ausfallen lasse. Ist mir glaub ich noch nie passiert. Einen Tagesausflug nach Mexiko habe ich vorher aber auch noch nicht gemacht. Genauso wenig Grenzbeamte bestochen. Waren wohl weder die ersten noch die letzten Premieren hier...  


Mittwoch, 9. März 2016

Urlaubsplanung


Ich nutze die kuschelige Atmosphäre unseres fensterlosen Büros und bitte den Chef bei Kerzenschein um Ferien. Stromausfall hat durchaus auch charmante Seiten. Natürlich sagt er ja, wohin soll’s denn gehen? Nach Tikal und Semuc Champey. Erst uralte Dschungeltempel (Superstar aller Ruinenstätten, Drehort der neuesten Star Wars Episode und zudem Weltkulturerbe), dann weiter zu den türkisen Kalksteinbecken des angeblich schönsten Ortes des Landes. Klingt beides vielversprechend, vor allem aber auch nach vielen Stunden Bus. In China sagt man, Schildkröten können einem mehr über den Weg erzählen als Hasen. Das gilt sicher auch hier, außerdem hab ich Zeit, der Weg ist das Ziel, in 9 Tagen geht’s schon los!

Dienstag, 8. März 2016

Geschätzer Pate


Nach 2 ½ Monaten kann nun endlich die Weihnachtspost abgehakt werden. Da bin ich glatt froh, dass die Ostergeschenkkultur in Deutschland noch nicht so ausgeprägt ist, dass es gleich wieder von vorne losgeht. Übersetzen gehört jedenfalls nicht zu meinen neuen Lieblingsbeschäftigungen... 

Sonntag, 6. März 2016

Sonntagsfahrt


Noch vor sechs brechen wir auf, schon fast schlafwandlerisch kletter ich über das Tor (zur Abwechslung mal nach draußen), werde dort mit Kaffee von der Tankstelle empfangen, los geht’s. Wie schon so oft entschädigt uns Guatemalas Landschaft schnell für sämtliche Beschwerlichkeiten. Aus einem Wolkensee schaut die Spitze des Santa Marias, die Sonne blendet, der Himmel ist blau. 
In Tecun, 60km vor der Hauptstadt, trifft sich heute der Club Volkswagen, natürlich bin ich willkommen. Da ich mich bekannterweise nicht im Geringsten für Autos interessiere und das Vokabular auch eher nicht Teil meines Wortschatzes ist, ist das zwar nicht sonderlich spannend, das Hotelfrühstück schmeckt aber trotzdem und Überlandfahrten lohnen sich hier einfach immer. 
Aufregung bringt dann doch noch ein geplatzter Reifen auf dem Rückweg, mit Fernblick auf knapp 3000m aber schon fast wieder charmant. Wie schön, wenn man Zeit hat und die Sonne scheint.  



Samstag, 5. März 2016

Freitagsroutine


Gegen Heimweh hilft guter Kaffee mit Sojamilchschaum. Schmeckt nach Zuhause, kostet auch genauso viel. Nur mein Name ist hier weiterhin schwieriger als in Deutschland. Spätestens als ich später unerwartet immer mehr vertraute Gesichter sehe bzw. das VIOOLAA von Oscars Schwestern laut durch die Pasaje Enriquez hallt, ist alle Fremdheit wieder vergessen. Wieder eine Woche vorbei, wieder ein Freitag Abend am Parque Central, sehen und gesehen werden, langsam kann ich mitspielen. 


Donnerstag, 3. März 2016

Gefällt uns


Mit meinen Vorschülern habe ich gebastelt, 10.000 Likes auf Facebook, hurra! Es bedurfte recht viel Albernheit meinerseits, um die Kinder zu solch Jubel zu animieren. Die Thematik der virtuellen Anerkennung in sozialen Netzwerken ist eher abstrakt und nur schwer nachvollziehbar in einer Welt, in der sich sonst alles um gefüllte Teller und freie Schaukeln dreht.

Mittwoch, 2. März 2016

58


Halbzeit, 58 Tage bin ich nun schon im Kinderdorf, 58 weitere werde ich hier verbringen. Ich kämpfe gegen die ersten Würmer, kann immer noch nicht so flüssiges Spanisch, wie es der Leistungskurs vermuten lässt und finde es weiterhin befremdlich, im Auto zwischen Fahrer- und Beifahrersitz eine Waffe vorzufinden.Gleichzeitig kann ich mir wirklich nicht mehr vorstellen, woanders zu sein. Ich habe mich daran gewöhnt, überall angequatscht zu werden. Sogar so weit, dass ich gar nicht mehr aufschaue. Dies führte nun auf dem Markt zu einer eher unangenehmen Situation, als ich Oscars Vater gekonnt ein wenig zu lange ignorierte... 


Dienstag, 1. März 2016

Madre de Misericordia


Nach Wochen, in denen nichts außer Asche vom Himmel fiel, hat es jetzt doch tatsächlich mal in Salcaja geregnet. Auf den Bus wartend weiche ich in meinem T-Shirt schnell durch. Irgendwann kommt ein zahnloser Herr und klärt mich auf, heute führe hier keiner mehr. Prozession. Und wirklich stehe ich plötzlich mitten im Weihrauch zwischen betenden Schirmen. Der Regen hält nicht lange an, ich bleib jedoch und verfolge das Spektakel. Damit die heilige Mutter Gottes die Menschentrauben und Zuckerwatteverkäufer passieren kann, werden Stromkabel angehoben, die 40 tragenden Ministranten gehen in die Knie. Erinnert an das Aufstellen eines Kerbbaums, nur andersrum. Später finde ich auch noch einen Bus nach Xela, nur wird es mal wieder viel zu schnell dunkel. Eher unangenehm…